Dank ihr ist meine trockene Haut gerettet und ihm ehrlich zugehört.
≈ Erst vor zehn Minuten bin ich am Bücherschrank vorbei gelaufen. Kein lesenswertes Exemplar gefunden, also weiter zum türkischen Supermarkt. Zehn Minuten wieder raus und schon sehe ich von hinten ein Männlein und ein Weiblein auf der Holzbank bei den Büchern sitzen, vertieft in ein gemeinsames Gespräch. Da wo sonst meist nur gruppenweise alkoholisierte Männer rumhängen, die sich an dem Sitzmöbel festhalten und jede vorbeilaufende junge Dame mit obszönen Sprüchen verunsichern. Heute nicht. Ich bin dafür neugierig.
Groß gemundet
Ein älterer Herr sitzt auf der linken Seite der Bank, ich kenne ihn sporadisch aus dem Viertel. Etwas schäbige Klamotten, womit er vermutlich keine Sparkassenjob mehr gewinnt. Dafür ein großes Mundwerk im positiven Sinne, mit dem er sich gerne in ein nettes Gespräch verwickeln lässt. So wie heute.
Ehrlich nachgehakt
Das junge Mädel erkenne ich gleich wieder. Noch vor einer halben Stunde hatte ich bei ihr im Drogeriemarkt eine fette Gesichtscreme erworben. Jetzt sitzt sie mit weißem Arbeitskittel neben dem grauhaarigem Kerl, raucht ihre Pausenzigarrette und hört IHM zu. Er darf reden, erzählen, alles, was erlebt hat, denkt und fühlt. Sie bietet das offene Ohr, er die Geschichten. Kein reiner Monolog, denn sie hakt ehrlich interessiert nach. Ihre Augen leuchten bei jedem seiner Sätze. Und ich? Verweile noch ein paar Minuten länger am Bücherschrank, aus purer Neugier am zweisamen Miteinander. Obwohl ich kein weiteres Buch finde. Einfach nur, um stillschweigend weiter mit dabei sein zu dürfen.≈≈
© Aus dem Alltag von Linda Könnecke
Glaub nicht, ich sei neugierig ;o)
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