Wie rundes Gummi minutenlang seine Konzentration förderte.
≈ Bin keine Ergotherapeutin und auch keine Jugendpädagogin. Nur der letzte „Gameplay“-Besuch im Zentrum für Kunst und Medientechnologie hat mir eine schöne Erkenntnis gebracht, die ich gerne teilen möchte. Analytisch unbedarft von mir kreiert, darf sie jeder gerne kopieren und pseudowissenschaftlich weiterpublizieren. Scherz beiseite.
Erneut magnetisiert
Bereits vor zwei Jahren bin ich in der ZKM-Videospielausstellung gewesen und kam von diesem einen Ballonspiel partout nicht mehr weg. Sich bewegende Ballons werden schattenartig an eine zwei- bis drei-meter-hohe Wand projiziert. Selbst davorstehend, kann man die runden Dinger dann mittels Bewegungsmelder nach links, rechts oben oder unten bugsieren. Keine Spielkonsole dabei, nur der eigene Körperteil – wahlweise Kopf, Fuß oder Hand – lassen die Ballons von hier nach dort hüpfen. Bin schon im Sommer 2014 magnetisiert gewesen von diesem Spiel, musste mit diversen Kleinkindern und deren Eltern um meinen Platz vor der Projektionswand kämpfen. Hatten alle unseren Spaß. Heute wie gesagt kam ich zufällig wieder dran vorbei, wollte nicht weg. Habe anderen Besuchern dennoch Vortritt gelassen. Doch beim Rüberspazieren zum nächsten Ausstellungsbereich kam es mir plötzlich in den Sinn.
Dialogisch gespielt
Bis vor wenigen Monaten hatte ich beruflich psychisch-kranke Menschen betreut. Darunter ist ein hochintelligenter junger Mann gewesen, dessen Krankheit ihm zunehmend motorische Schwierigkeiten bereitet. Zucker-in-Tasse füllen geht regelmäßig daneben, ist ihm aber verziehen. Weil er ganz andere, hochintelligente Qualitäten besitzt, die keiner sonst so bemerkt. Nur mit der längeren Konzentration hat er es nicht so. Ein Beschäftigungsspiel für ihn zu finden hat mich deshalb Wochen gekostet. Bis ich irgendwann mal einen aufgeblasenen Werbeballon mitgebracht hatte. Das Gummiding anfangs alleine wiederholt nach oben geworden, mit im Raum, damit es alle sehen.. Dann kam Er dazu. Und hat versucht, den Ball beim Freien-Fall-von-oben selbst zu erwischen. Meist mit der breiten Handfläche. Klappt mal mehr, mal weniger gut. Schon waren wir beide im Spieldialog. Minutenlang. Nicht mehr aufgehört, bis meine reguläre Arbeitszeit vorbei war. Ihm aber den Ballon da gelassenen.
Simpel mitgerissen
So ähnlich fasziniert wie ich damals im ZKM mit den Kindern. Einfache Bewegungen und sofort etwas bewirken, unabhängig davon niedrig oder hoch die eigene Motorik gesteckt ist. Und mal andersrum gedacht. Nämlich an all die jüngeren Gesellschaftsmitglieder, zu Weihnachten oder zum Geburtstag oft ein hypermodernes Videospiel bekommen und schon früh lernen, wie man rumballert. Im negativen Sinne.
Dann doch lieber dieses Exemplar von „Gameplay“ an die Wand schmeißen, projizieren. Die simpelste Art, Menschen mitzureißen. Es erfordert kaum Kraft, weil luftleichtes Spielzeug. Mit minimaler Anstrengung verändert man die Flugbahn des Ballons und erreicht bei geringem Abstand sofort sein Nebenan oder Gegenüber. Einmal hopp mit der Hand noch oben, mit dem Kopf dagegen. Kein Gewinner oder Verlierer. Nur ein schönes Miteinander. So leicht können Lebensmomente manchmal sein. ≈≈
© Aus dem Alltag von Linda Könnecke
„…und dass sowas von sowas kommt“