Er wollte seinen Eistee aufsparen und putzte die Nacht lang.
≈ Was für ein übervölkertes Straßenfest gestern Abend. Man kam nur schleichend durch die Menschenmassen. Alle guckten und staunten. Vielleicht nur der puren Masse wegen. Meine bessere Hälfte hatte ich kurzzeitig verloren. Immerhin fanden sich und doch fanden sich zwei leere Hocker direkt vor der Jazzbühne. Entspannt auf einem der einstigen Weinkästen platziert, auf den zweiten meinen Rucksack platziert. Platzhalter für IHN, wenn er mal wieder auftaucht. Immerhin habe ich kurz zuvor noch seine halbleer getrunkene Eisteeflasche bei mir hinten reingepackt. Oder nicht? Schnell die Schultertasche geschnappt, Reißverschluss aufgezogen und reingeschaut. Iiih!
Botanisch entleert
Geschätzte 200 Milliliter klebriges Saft-Zucker-Gemisch wogten im Inneren des Rucksacks. Fingertief, von links nach rechts. Dazwischen schwammen ein Notizbuch, Lippenstift, Kuli und mein Schlüsselband. Und natürlich die eigentliche Flasche. Die überoffenbar nicht fest zugeschraubt gewesen ist und deshalb einen Rucksacksee geschaffen hat. Was bleibt mir übrig als halbwegs zu handeln. Die Jazzband lieferte eh gerade den passenden treibenden Rhythmus. Also fix einmal alles rausgenommen, auf dem vordergründigen Holztisch abgelegt und die restliche Flüssigkeit kopfüber im nächsten Blumenkübel entleert. Der Pflanzenbesitzer erlebt die nächsten Tage wohl eine Eisteeblütenpracht. Ganz im Gegensatz zu mir.
Stur geblickt
In diesem aktuellen Moment war es nicht mehr oder weniger als ein echt blödes, feuchtes Dilemma. Zumal kein Taschentuch, Serviette oder sonst was bei der Hand. Ist halt kein gut sortiertes Restaurant, wo es passiert ist. Nur eine Straße mit ´nem Fest drauf. Und ich will die Musik genießen. Also den Blick stur nach vorne gerichtet auf die Jazzer. Und trotzdem immer wieder abgelenkt, weil die Hände kleben und ich meiner übernassen Mitbringsel bewusst bin. Bestimmt kein glücklicher Gesichtsausdruck trotz versiertem Saxofonisten plus Gitarrist im Gehör. Auch mein Mann gibt sich nur halb beglückt von der Musik. Beteuert immer wieder, dass er alles waschen wird, wenn wir erst mal zuhause sind. Dass es ihm Leid tut, seine Flasche nicht korrekt verschraubt zu haben. Ist halt so. Trotzdem irgendwie ärgerlich. Wir reden nicht weiter viel drüber, böse Blicke reichen aus. Und gerade als die Band pausiert, klopft mir unser Hockernachbar auf die Schulter.
Dankend genommen
„Hier.“ Mehr braucht es nicht an Worten. Der mir bisher fremde Mann nebenan, der wie ich mit seiner besseren Hälfte das Jazzspiel besucht hat, hält mir eine Plastiktüte entgegen. „Schlemmermeyer“ steht drauf, also definitiv nicht gerade in der Waldstraße besorgt. Den Meier kenne ich von woanders. Eher Karlsruher Kaiserstraße, mittig. Aber egal. Die Tragetasche ist: leer. Frisch. Sauber. Und ich habe verstanden. „Danke“. Auch seine Frau lächelt nun.
Trocken gesichert
Derartige Aufmerksamkeit im Alltag überrascht mich immer positiv. Dabei ist sie doch selbstverständlich. Wenn man denn mitbekommt, welches Malheur der Konzertnachbarin soeben passiert ist. Er hat es gemerkt. Und gehandelt. Einfach so. Mit dem oftmals so verhassten Plastik. Wegen Umwelt und so. Aber auch: mein Schreibblock, Schlüsselband, Stoffrucksack und so. Alles feucht gewesen. Überleg´ mal. Jetzt sind die Teile wenigstens trocken gesichert bis wieder zuhause sind. Die Hälfte der restlichen Nacht wurde dort dann geschrubbt, um die Klebe wegzubekommen. Nicht ich, lag schon im Bett. ER. Isser doch selbst schuld. Möchtegern-Flaschen- und Getränkeaufheber. Aber eben auch: Nichtverschließer.≈≈
© Aus dem Alltag von Linda Könnecke
Okay, bei Gil Scott-Heron’s Flasche ging es nicht um Eistee, sondern um Alkoholmissbrauch.