Flüsterpost mit Dingeling


Der nervige Rhythmus ließ mich wegrennen und erotisieren.

≈ Fast täglich auf dem Laufband. Und stets dieses „Dingeling“ in meinen Ohren. Gehört zur aktuellen Abspielliste meines örtlichen Fitnessstudios. Und da der treibende Elektrobeat zwar nicht meinem musikalischen Credo gehört, eher nervtötend, versuche ich, dem Ohrengraus sportlich davon zu rennen. Wohlgemerkt auf dem Fließtransporter. Ich komme also nicht wirklich weg von dem Lied. Läuft ja beschallt über den gesamten Trainingsraum.

 

Verzweifelt gesucht

 

Immerhin trainiere ich gewöhnlich länger als drei Minuten, es folgen andere Lieder. Doch das „Dingeling“ ohrwurmt mich meist noch bis in die Umkleide, besser gesagt in die anschließende Saunasitzung hinein. Passt ja irgendwie, dafür dass dort ab und zu auch nackische Männer auf dem Holz sitzen. Chuck Berry hatte sein eigenes Prachtstück auch mal besungen. Nur nicht mit Elektrobeat. Jahrzehnte her. Und im Frühsommer 2016 verzweifele ich jetzt an diesem neuen Tonwerk. Mein Credo: Als einstige Musikjournalistin sollte ich doch wenigstens wissen, wer mich mit seinem „Dingeling“ nervt, dann künftig meiden. Wenn sich denn rausstellen lässt, wer es musikalisch geschwungen hat. Also tonaffine Freunde angezapft, Google, Amazon und Youtube befragt.

 

Langweilig kopiert

 

Irgendwie postmodern ohne echte Instrumente. Suchbegriff: Elektro. Könnte eine jung-männliche Stimme sein oder die tiefere Variante einer Frau. Wer ist gerade angesagt bei jenen Mitmenschen, die altersmäßig meine Kinder sein könnten? Suchbegriffe: The Weekend, Miley Cyrus. Und dann noch die unterschiedlichen Schreibweisen: Tingaling, Dingaling, Ting-A-Ling. Hat vielleicht Justin Bieber was in der Art fabriziert? Klingt immerhin fast wie ´ne gelangweilte Kopie seines „Sorry“-Aufschreis. Zurück zu Amazon. Da kann man die einzelnen Lieder aktueller Alben durchhören. Zumindest für 30 Sekunden. Probieren wir es mit dem kanadischen Nagetier. Und – Bingo!

 

Sportlich erinnert

 

Das Stück heißt: „What do you mean“. Die Sekunden später abgespielte Langversion auf Youtube bestätigt mir, dass es der bekannte Rhythmus ausm Fitnessstudio ist, mit männlicher Jugendstimme. Kurz in den Refrain reingehört: „…said you’re running out of time, what do you mean? Oh, oh, oh, what do you mean…“ Nee, oder? Kein Dingeling! Klingt aber so ähnlich wie aus meiner sportlichen Erinnerung heraus. Schlingert beim Justin nicht auch so ein längliches Etwas rum? Okay, ich will es nicht wirklich wissen. Der könnte mein Kind sein.

 

Flüsternd wahrgenommen

 

Mein körperlich-sinnliches Selbstverständnis scheint auf musikalischer Ebene weiterhin zu funktionieren. Bravo. Und in diesem Sinne sage ich: Danke. Aufgrund dieses heutigen Alltagsmoments honoriere ich meine nur leichte Schwerhörigkeit, mit der ich seit einigen Jahren offiziell lebe. Größenteils mit Hörgerät im Ohr, nur beim Sport halt ohne. Sind nur 20 Prozent Minderung diagnostiziert worden. Und genau deshalb kann ich gewisse Töne und Stimmen noch bewusst wahrnehmen. Bestimmte Inhalte kommen halt nur anders an als gedacht und fördern erotische Gedanken zu Tage. Erinnert sich jemand an die kindliche Flüsterpost?. So oder ähnlich war das heute.≈≈

 © Aus dem Alltag von Linda Könnecke

 

 

Chuck Berry spielte gerne mit seinem „Ding A Ling“

 

 

 

Ein Gedanke zu „Flüsterpost mit Dingeling

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