Losgeher und Löffellutscher


Er steht rum, isst und sorgt für inneres Wohlbefinden.

 

≈ Gefühlte vier Stunden verharrten wir fast unbewegt an der Ampel. Autos überquerten die Kreuzung mehrmals von links nach rechts und schräg gegenüber. Selbst die Straßenbahn durfte zweimal vorbeibimmeln. Jeweils andere Richtung, versteht sich. Nur wir standen unbekannterweise einfach so rum. Ich vorne, weil ungeduldig. Der Mann weiter hinten, mit Blick nach unten, weg von der Straße.

 

Locker hängend

 

„Das dauert heute ewig“, sage ich hauptsächlich zu mir, dennoch laut, und drehe mich zu ihm um. Erst jetzt bemerke ich den Joghurtbecher in seiner linken Hand. Geöffnet, der Deckel hing locker vom Plastikrand. „Bin eh noch nicht fertig“, antwortet der Fremde und taucht mit seinem Löffel rechter Hand in das Milchprodukt und führt sich die nächste Portion in den Mund. Ein zufriedenes Lächeln macht sich breit. Auf seinem Gesicht, bei mir dominiert noch die innere Unruhe, der Ampel wegen. Schnell kramte ich ein Taschentuch aus der Jacke, um auch mir die Wartezeit zu vertreiben. Naseputzen halt.

 

Logisch verkehrt

 

Und die Autos rauschten weiter vorbei. Mitunter wurde es auch still. Weder eine ein Mobil, noch eine Bahn, links und rechts. Von einem grünes Licht für uns zwei wartende Fußgänger. Ich fing gerade an zu überlegen, welche verkehrsplanerische Logik der heutigen Situation zugrunde liegt. Entschleunigung der Karlsruher Bevölkerung, freie Fahrt für alle auf Rädern. Nur nicht die auf zwei Beinen. Wollte ich gerade innerlich davon verabschieden, heute noch legal auf die andere Straßenseite zu wechseln, als seine Stimme lautstark an mein Ohr drang.

 

Oral beschäftigt

 

„Hey, wir können los, hab‘ aufgegessen“, verkündete mein Hintermann zu mir nach vorne gerichtet. Nur eine Sekunde später stand er direkt neben mir, den linken Fuß bereits auf der Straße. Mein eigener Blick gen Ampel bestätigte mir: Grün. Und wir stiefelten los. Auf der anderen Straßenseite angekommen, wünschte er mir einen „Schönen Abend noch“. Den leeren Joghurtbecher warf er schwungvoll in den nächsten Mülleimer. Der Löffel blieb seitlich im Mund stecken. Halt typische Freizeitbeschäftigung für viele unterbeschäftigte, nostalgisch veranlagte Männer. Saugen an Plastikbesteck, Zahnstocher, weibliche Brust. Orales Wohlempfinden. Andere Geschichte. ≈≈

 

© Aus dem Alltag von Linda Könnecke

Pearl Woods eigene Löffelgeschichte.

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