Drei sich wildfremde Personen finden die passende Melodie.
≈ Sind nur wenige Meter von meiner warmen Wohnung rüber zum Fitnessstudio. Die Sporttasche geschultert, den Geist motiviert. Doch es regnete unentwegt, kübelweise und ich hatte weder Schirm noch Mütze über’m Kopf. Grässlich. Und alles so dunkel draußen durch den mit Regenwolken verhangenen Himmel. Noch zwei Mal die Rüppurerstraße überqueren, zwei Fahrspuren halt dann rein ins Trockene, hauptsache weg von dem Nass. Schön wäre es.
Rotes Verkehrslicht
Noch zwei Ampeln, beide rot geschaltet. Und ich stehe gerade mal an der ersten. Vor mir auf der Zwischeninsel, ebenfalls regenüberflutet, zwei große, eine kleine Person. Letztere ein Kind , händchenhaltend mit vielleicht seiner Mutter. Jedenfalls eine Frau. Trotz des Lärms von links und rechts vorbeiflitzender Autos höre ich ihre Stimmen. Erst leise nur die Mama, dann auch der Kleine. Bevor ich erraten kann, um welches Lied es geht, stoppt das Konzert. Die Frau zieht den Anorak des Jungen noch etwas fester zusammen. Bloß keinen Regen reinlassen. Die Ampel ist immer noch rot. Jetzt darf der abbiegende Verkehr vorbeirollen. Und auf einmal beginnt die dritte Person auf der Insel vor mir zu singen.
Markante Nase
Klingt nach „Frére Jacques“, was der etwas abseits stehende Mann singt. Doch das Kind stimmt nicht mit ein. Der kleine Junge rückt sogar etwas näher zu seiner Mutter, weg vom anderen Sänger. Zugleich fällt mir auf, dass dieser arabisch aussieht. Schwarze Haare, markante Nase und ein leicht dunkler Teint. „Ob der Kleine sich vor ihm ängstigt? Kann der Mann überhaupt Deutsch?“, schreit es geistig aus meiner Klischeeschublade. Und gleichzeitig betet mein atheisticher Geist dafür, dass es bald grün wird.
Grüne Ampel
Die Autos haben endlich Rot. Gerade stimmt die Mama „Alle Vögel sind schooon da..“, der Junge harmonisiert mit ein bei „Amsel, Drossel, Fink und Star..“ und läuft fast hüpfend über unsere endlich grün gewordene Ampel. Ebenso die Frau. „…und die ganze Vogehellschaaaar“ übertont nun der fremdländische Mann die anderen zwei. Zu dritt laufen von dannen, allesamt textsicher die letzte Strophe des Kinderliedes singend. Und „rumms!“ schließt sich meine Klischeeschublade. Und noch mal „rums!“ landet eine andere Schublade direkt auf dem geistigen Spermüll, bevor sie überhaupt geöffnet werden konnte. Sch… auf kübelweise Regen, fehlende Krokusse und Abendtemperaturen fast an der Null. Frühlingslieder passen immer! ≈≈
© Linda Könnecke
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