Warum meist andere schuld sind und es dennoch hilft, in den Spiegel zu schauen.
≈ Beim sonntäglichen Frühstück las ich jüngst über den möglichen Karstadt-Investor René Benko. Informierte mich über dessen Werdegang als Immobilienmakler und sein letztlich geringes Interesse am Einzelhandel. Prompt fielen mir die Standpunkte befreundeter Karstadt-Mitarbeiter ein, die im Zuge des drohenden Ausverkaufs geäußert wurden. „Ist doch klar, viele Kollegen stehen nur herum und sprechen die Kunden nicht selbst an.“ „Dabei wechseln wir fast jeden Tag die Warenpräsentation.“ „Ich erzähle meinen Bekannten schon immer, dass wir im Haus Modeschauen veranstalten und mit neuen Rabattaktionen locken, trotzdem kommt keiner.“
Eigene Ursachenforschung
Erinnert mich an die Aussagen einstiger Schlecker-Mitarbeiter vor ein paar Jahren. Auch da war die Rede davon, dass einzelne Verkäuferin, Lagerarbeiter oder Filialchefinnen alles Erdenkliche probiert hätten, um das Gesamtunternehmen zu retten. Damals wie heute möchte Ihnen mein rationaler Verstand zurufen: „Lasst es. Die Gründe für den Bankrott der Konzerne, die euch angestellt haben, liegen auf einer höheren Ebene. Hauptsächlich bei der obersten Geschäftsleitung.“ So doch auch das scheinbar allgemeingültige Kredo zur deutschlandweiten Schlecker- und Karstadt-Krise. Stimmt vielleicht sogar.
Doch bei der Lektüre des aktuellen Stern-Artikels und der rekapitulierten Aussagen meiner Karstadt dachte ich nur: Schön! Und: Ja. Es ist wunderbar zu wissen, dass die einige Menschen, in diesem Fall Angestellte aus dem Voll- und Drogerie-Sortiment nicht lange auf den vermeintlichen Fehlern ihrer Chefs herumhacken, sondern selbst aktiv geworden sind. Zur Rettung des Unternehmens, der lokalen Filiale, ihres eigenen Arbeitsplatzes. Und selbst wenn es im Falle einzelner Schlecker-Geschäfte nichts half. Nachhaltig betrachtet zeigte ihr Engagement dem Rest der Welt: Du kannst. Es kann. Die Rettung kann klappen. Und wenn du es gar nicht erst probierst, weißt du nicht, ob es klappt.
Mich verändern
Entscheidend ist, dass du nicht ewig über die Misswirtschaft der Anderen lamentierst, sondern selbst aktiv wirst. Das stärkt den Teamgeist, setzt ein Zeichen an die Oberen á la „Wir geben nicht auf“. Etliche ehemalige Schlecker-Verkäuferinnen noch während der Krise gelernt, zielgruppengerechter zu agieren, später einen kaufmännischen Kurs belegt und nach der Drogeriemarkt-Pleite einen eigenen Vollsortimentsladen eröffnet. Sie retteten damit nicht den Gesamtverfall des Schlecker-Konzern. Und doch trug jede einzelne dieser Damen dazu bei, ihre respektive unsere Welt ein Stück weit besser zu gestalten.
Die Schlecker-Frauen und jetzigen Karstadt-Mitarbeiter wagten den Blick in den Spiegel und veränderten … SICH. Ähnlich wie es Siedah Garrett Ende der Achtzigerjahre für den King of Pop formulierte:
I’m starting with the man in the mirror
I’m asking him to change his ways
Um Karstadt und somit seine Filialen zu retten bedarf es wohl hauptsächlich betriebswirtschaftlichen Geschicks aller Investoren. Dennoch salutiere ich vor allen scheinbar kleineren Mitarbeitern, die zuerst den Fehler bei sich selbst sorgen, umdenken und danach handeln. Ob im optimierten Wareneinkauf, der angepassten Preisgestaltung oder einer attraktiveren Verkaufspräsentation. Einfach nur: Respekt. ≈≈
© Linda Könnecke