Aufmerkhaufen zur Europawahl


Wie meine innere Haltung böse erregt wurde, ich ungefragt Flyer geklaut habe, selbige kaputt riss und alle Teile in die Mitte eines Foyers warf.

Wenn mir beim unbedarften Straßenbummel jemand einen quietschbunten Flyer in die Hand drückt, lese ich ihn selten. In der Regel landet er sowie im nächsten Papierkorb. Egal ob zerknüllt oder in kleine Stücke gerissen – Ordnung muss sein. Anders gestaltet es sich, wenn ich Eingangsbereich einer Institution an einem Informationsständer vorbei schlendere und die dort ausgelegten Flyer thematisch sortiert und ansprechend präsentiert werden. Dann bleibe ich gerne länger stehen und nehme mir das ein oder andere Exemplar mit- für den heimischen Terminkalender oder die ewige Küchenpinnwand. Ähnlich und doch ganz anders agierte ich gestern Nachmittag, als ich im Eingangsbereich der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe eintrat.

Erklärende Buchstaben

Ungewohnt chaotisch sah es im mittleren Fach des dortigen Flyer-Regals aus. In den oberen sowie unteren Bereichen lagen die Werbezettel brav neben und übereinander. Nur eben im mittleren Fach lagen geschätzt ein Dutzend Flugblätter quer über alle restlichen geschmissen. Ob gewollt oder nur schlecht gekonnt, meine Aufmerksamkeit hatte es erregt. Ohne die Details intensiv zu lesen war klar, wer beworben wurde: jene rechtsextreme Partei, deren Gedankengut alternative Wege sucht. Drei rot leuchtende Buchstaben erklären alles. Und fordern auf zum Handeln.

Ich habe gehandelt. Jeden einzelnen der DinA5-großen Flyer mehrfach zerrissen, mathematisch: geviertelt. Für einen kurzen Moment überlegt, ob ich den halben Meter rüber laufe zum Abfalleimer und dieses menschenverachtende Gedankengut final entsorge. Umgedacht. Die Papierschnipsel, auf denen noch gut erkennbar, wer sie gedruckt hatte, in die Mitte des Raums geschmissen. Und liegengelassen. Als Zeichen.

Demokratisch konfrontiert

Sicherlich finden sich in der Region Karlsruhe und darüber hinaus weitere Flyer dieser Art. Mit Hetzparolen, die ich persönlich nur aus dem Geschichtsbuch kannte. Oder in medialen Berichten zu gescheiterten Verbotsverfahren. Nur selten bin ich mit derartigem Gedankengut in meinem direkten Alltag konfrontiert. Die demokratische Wahl des neuen Europäischen Parlaments steht bevor und jeder ringt um Aufmerksamkeit.

Leider. Und dennoch.

Auf einen politisch ausgereiften Vortrag verzichte ich. Dafür fehlt mir tief-recherchierte (Gegen-) Argumente sowie rhetorisches Geschick. Und nur des Lautwerdens wegen verliere ich mich keinesfalls in platter Stammtischpolemik. War nie mein Fall. Eine Meinung vertrete ich dennoch. Gerade auch in Tagen, da ich auf Ansichten stoße, die mir konträr sind. Ich rede nicht, ich handle. Im Kleinen. In diesem Moment.

Wer nach mir am Schnipselhaufen vorbei gelaufen ist, nimmt ihn vielleicht nur als solchen wahr. Hebt ihn gesammelt auf und wirft ihn in den nächsten Papiercontainer, mehr nicht. Auch eine gute Tat. Oder jemand liest die zerstückelten Parolen, erkennt das Szenarium und denkt sich: „Tolle Aktion, dieses rechtsextreme Gedankengut am Boden und mit den Füßen getreten.“ Käme mir indirekt gelegen. Kann aber auch anders gedacht. Egal, wer diese Flyer ursprünglich im Foyer drapiert hatte, kommt wahrscheinlich erneut vorbei, um weitere Zettel abzulegen. abzulegen. Womöglich liegen die Schnipsel vom Vortag dann immer noch auf dem Boden. Einfach so.

 

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