Warum ich nicht einfach bummeln gehe.
≈ Als ich vor rund 20 Jahren aus meinem millionenbewohnten Berlin in eine nordbadische Kleinstadt gezogen bin, kämpfte ich in den ersten Monaten nicht nur mit dem Dialekt, sondern vor allem mit einer neuen Begrifflichkeit: „in die Stadt gehen“. War mir als damals 14-Jährige, aufgewachsen in einer Metropole mit mehr als einer Einkaufsstraße in jedem Viertel, bisher nicht untergekommen. In meinem neuen Wohnort jedoch, dem beschaulichen Bruchsal, war diese Redensart gang und gäbe. Da sagte ein Freund zum anderen eben: „Ich gehe heute in die Stadt, kommst du mit?“
Unlogische Sprache
Damals mein erster Gedanke als geborene Großstadtpflanze und neue Kleinstädterin: „Ah.. . SO nennen es wohl Dörfler, wenn sie das Auto starten, um in einer nahegelegenen Stadt einzukaufen. Eben weil die Infrastruktur ihres abgelegenen Örtchens keine Geschäfte bietet oder sie einfach mal raus wollen aus der Tristesse.“ Denkste. Der Knackpunkt dieser falschen Metropoldenke liegt darin, dass ein Bruchsaler, der am Wochenende im flächenmäßig größeren Karlsruhe bummeln möchte, eben nicht sagt: „Ich gehe in die Stadt.“ Vielmehr heißt es dann „Wir fahren nach Karlsruhe.“ Klar. Logisch. Unlogisch nur, dass selbst der Karlsruher besagte Sprachformulierung verwendet, wenn er mal eben einkaufen geht, eben in seiner STADT. So paradox es für einen Berliner klingen mag. Hier im Süden „geht man in die Stadt“, selbst wenn man zentral in selbiger wohnt und eigentlich nur die Haustür öffnet und zum Shop in der nächsten Querstraße rüber läuft.
Das ist eine Logik, die mir weder in Hamburg oder Berlin noch einer anderen norddeutschen (Klein-) Stadt untergekommen ist. Und mich jetzt, da ich nun seit insgesamt zehn Jahren in meiner Wahlheimat Karlsruhe lebe, selbst überrascht. Zuletzt geschehen als ich für ein Wochenende in Berlin war und freitags eine Freundin besuchte. Beim spätabendlichen Abschied frage sie: „Und, was planst du für Morgen, noch ein paar alte Bekannte besuchen?“ „Einfach nur in die Stadt gehen, bummeln.“ – Touché. ≈≈
© Linda Könnecke