Aktionismus im Ampelstillstand


Warum ich beim dicksten Verkehr und höchster Eile die eigene Wut besser unterdrückt habe, die Aufmerksamkeit geschärft wurde und jemand impulsiv handelte.

Der übliche Berufsverkehr auf einer der meist frequentierten Straßen Heidelbergs: langsam und zäh. Auf allen drei Spuren versucht jeder Autolenker mit permanent dichtem Auffahren an Metern und somit an Zeit zu gewinnen. Nichts da. Die Ampel zeigt durchweg Rot, und der deutsche Michel hält sich dran. Und steht. Und steht. Gerade wechselt die Ampel von Rotrosa auf Hellgelb. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass auf der Spur rechts neben mir eine Autotür öffnet und eine Frau steigt forschen Schrittes aus geradewegs in Richtung des Autos vor mir. Die dortige Beifahrerin kurbelt ihr Fenster runter und hofft der Dinge. Die forsche Frau von nebenan redet in das geöffnete Fenster hinein, gestikuliert wild mit den Armen und ist schnell zurück in ihrem eigenen Gefährt. Währenddessen steigt die einstige Beifahrerin im Wagen vor mir aus, sprintet zum Hinterrad ihrer Seite und klopft mehrmals heftig auf die Felgen, endlich alles fest. Steigt wieder ein und los geht die Fahrt.

Impulsiv gehandelt

Ein kurzer Rückblick, was wenige Sekunden zuvor war: Die Ampel strahlte längst in ökologisch korrekter Farbe, auf der Spur links von mir drücken alle kräftig aufs Pedal, um die grüne Phase auszuschöpfen. Bei mir: Stillstand. Ebenso bei den folgenden  Autos dahinter. Klar, die forsche Frau auf der Nebenspur und ihr impulsives Handeln hielten uns für den Moment auf. Und doch ging es weiter.
In unserem beruflichen und privaten Alltag zählt jede Minute, gar Sekunde. Irgendwo nutzlos zu verharren, gar machtlos zu sein einer Situation gegenüber, die von anderen verursacht – schier unfassbar. Und doch hilft es, in solchem Moment, innezuhalten. Wahrnehmen, was vorne dran passiert. Gerne auch die Wut zulassen über den möglichen Zeitverlust. Dennoch innehalten, für die eine oder andere Sekunde mehr. Nur nicht gleich agieren. Oder nimmer nie. Womöglich erkennen, dass der aufkommende Sturm sich schneller gelegt hat, als er wirklich aufbrausen konnte. Und sich eingestehen, dass diese forsche Frau aus dem Nachbarauto weniger ein Störenfried des Heidelberger Berufsverkehrs ist als ein aufmerksamer Retter noch vor der absehbaren Not. ≈≈

© Linda Könnecke

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